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Prof. Dr. Joachim Labenz, Direktor Innere Medizin am
Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen

Professor Labenz, was genau ist die Refluxkrankheit und durch welche Symptome macht sie sich bemerkbar?

Am Ende der Speiseröhre dichtet ein Schließmuskel im Zusammenspiel mit dem Zwerchfell den Übergang von der Speiseröhre zum Magen ab. Bei der Refluxkrankheit fließt regelmäßig Mageninhalt zurück in die Speiseröhre. Das schädigt die Schleimhaut der Speiseröhre und führt zu Beschwerden.

Zu den typischen Symptomen der Refluxkrankheit gehören Sodbrennen, saures Aufstoßen und Rückfluss von Mageninhalt bis in den Mund. Es gibt aber auch eine Reihe von Beschwerden, die nicht so bekannt sind. So kann Reflux auch Schmerzen im Oberbauch, Halsbrennen, Husten, Asthma, Schlafstörungen, Zahnschäden oder auch eine Nasennebenhöhlenentzündung auslösen.

Welche Ursachen stecken hinter der Refluxkrankheit?

Wir Mediziner unterscheiden hier grundsätzlich zwei Formen: die primäre und die sekundäre Refluxkrankheit. Bei der primären Form – die am häufigsten vorkommt – funktioniert der Verschlussmechanismus zwischen Speiseröhre und Magen als Anti-Reflux- Barriere nicht richtig, sodass regelmäßig Mageninhalt in die Speiseröhre zurückfließt. Auch wenn hierfür keine eindeutige Ursache festgemacht werden kann, gibt es Faktoren die eine primäre Refluxkrankheit begünstigen.

Ein wichtiger Faktor ist Übergewicht. Bei übergewichtigen Menschen ist der Druck im Bauchraum erhöht, wodurch leichter Nahrung zurück aus dem Magen fließen kann. Außerdem weitet sich durch den erhöhten Bauchdruck das Loch im Zwerchfell, durch das die Speiseröhre führt. Dieses Loch ist normalerweise so eng, dass die Speiseröhre gerade eben hindurch passt. Wenn sich das Zwerchfell-Loch weitet, verändert sich die Anatomie in diesem Bereich: Die Lage von Mageneingang und Speiseröhre verschiebt sich in den Brustkorb, man spricht von einem Zwerchfell-Bruch. Das kann die Funktion des Verschlussmechanismus beeinträchtigen.

Was verursacht die sekundäre Refluxkrankheit?

Bei der sekundären Form führen andere Erkrankungen oder Zustände dazu, dass ein Reflux entsteht. Zum Beispiel können Geschwüre oder Narben zu Verengungen des Magens führen und zu einem Rückstau des Mageninhalts in die Speiseröhre.

Auch in der Schwangerschaft treten Reflux und Sodbrennen sehr häufig auf. Das wachsende Kind erhöht den Druck im Bauchraum mit entsprechenden Folgen für den Speiseröhrenschließmuskel. Doch auch hormonelle Faktoren spielen eine wichtige Rolle.

Wie wird die Refluxkrankheit diagnostiziert?

Um die Refluxkrankheit sicher zu diagnostizieren, muss eine Magenspiegelung gemacht werden, bei der der Arzt die Speiseröhre und den Mageneingang mithilfe einer winzigen Kamera von innen untersucht. Ergänzend dazu kann eine direkte Messung des Rückflusses über 24 Stunden mit der Impedanz-pH-Metrie erfolgen.

Diese Untersuchungen sind aber längst nicht bei allen Patienten mit Sodbrennen erforderlich. In vielen Fällen genügt es, die Symptome zu behandeln. Bei jungen Patienten, die einen typischen Verlauf und typische Beschwerden zeigen, würde ich keine Magenspiegelung veranlassen. Anders ist es bei Patienten, die älter als 50 Jahre sind oder Alarm- Symptome wie beispielsweise Blutungen oder Schluckbeschwerden zeigen. In diesen Fällen geht es darum, im Rahmen der Magenspiegelung auszuschließen, dass eventuell ein Tumor oder Tumorvorstufen in Magen oder Speiseröhre die Beschwerden verursachen.

Bedeutet das, dass jüngere Patienten einen Reflux nicht unbedingt behandeln müssen?

Nein. Und zwar aus zwei Gründen: Erstens müssen natürlich auch jüngere Menschen nicht mit Beschwerden und Schmerzen leben. Und zweitens ist es nicht nur in Hinblick auf die Symptome wichtig, einen Reflux zu behandeln. Denn wenn regelmäßig saurer Mageninhalt in die Speiseröhre übertritt, wird die Schleimhaut gereizt und kann sich sogar entzünden. Im Gegensatz zu der Magenschleimhaut ist die Schleimhaut der Speiseröhre schlichtweg nicht für diesen „Säureangriff“ ausgelegt.

Wir können beobachten, dass zwar die Beschwerden und Schmerzen, die durch die Refluxkrankheit ausgelöst werden, im Laufe des Lebens weniger werden, die Schäden an der Schleimhaut hingegen zunehmen. Die Schleimhaut verliert also an Sensibilität, wird aber dennoch weiterhin geschädigt. Das ist besonders tückisch, denn durch die veränderte Schleimhaut in der Speiseröhre kann das Krebsrisiko steigen – und zwar ohne dass die Betroffenen etwas davon merken.

Welche Behandlungsoptionen stehen bei der Refluxkrankheit zur Verfügung?

Zur Behandlung der Refluxkrankheit und insbesondere von Sodbrennen kommt eine Reihe von Medikamenten zu Einsatz: Wirkstoffe aus der Gruppe der Protonenpumpenhemmer verringern die Säureproduktion.

Im Laufe des Lebens nehmen die Reflux-Beschwerden zwar ab, die Schäden in der Speiseröhre jedoch zu.

Der Mageninhalt wird weniger sauer. Er fließt zwar weiterhin zurück in die Speiseröhre, richtet dort aufgrund seines geringeren Säuregehalts jedoch nicht mehr so viel Schaden an. Medikamente, die sogenannte Antazida enthalten, neutralisieren die Säure im Magen. Eine Alternative sind Alginate. Diese Pflanzensubstanzen bilden eine schützende Barriere im Magen und verhindern, dass Mageninhalt in die Speiseröhre aufsteigt.

Diese symptomatischen Therapien reichen bei den allermeisten Patienten bereits aus. In schweren Fällen lässt sich durch operative Eingriffe zum Beispiel eine veränderte Anatomie wieder ausgleichen, die einen Reflux verursacht.

Was können die Patienten selber tun, um einen Reflux zu mildern?

In erster Linie gilt es, eventuell bestehendes Übergewicht zu reduzieren. Dadurch verringert sich der Druck im Bauchraum und es werden auch weniger Substanzen freigesetzt, die bei Übergewichtigen ebenfalls einen Reflux begünstigen können. Wir sehen, dass bereits ein paar Kilogramm weniger auf der Waage den Medikamentenbedarf senken können. Zusätzlich sollten individuelle Nahrungsunverträglichkeiten berücksichtigt werden.

Außerdem ist es ratsam, mehrere kleine statt wenige große Mahlzeiten zu sich nehmen, damit sich der Magen nicht so stark füllt. Große Mahlzeiten gilt es insbesondere vor dem Schlafengehen zu meiden. Das Liegen begünstigt, dass Mageninhalt zurück in die Speiseröhre fließt. Schlafen sollten Betroffene am besten auf der linken Seite, da die Speiseröhre rechts in den Magen mündet. Insgesamt spielt eine ausreichend lange Nachtruhe eine wichtige Rolle. Denn durch Schlafmangel erhöht sich die Empfindlichkeit der Speiseröhre.

Artikel veröffentlicht am 30. November 2020